Zur Verteidigung der freien Meinungsäußerung im Internet Date: Fri, 14 Jan 2000 01:46:10 +0100 (MET) |
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Die unterzeichneten Mitglieder der "Global Internet Liberty Capaign" (einer Koalition von weltweit mehr als 50 Bürgerrechtsgruppen) sind der Ansicht, daß die Klage der Digital Versatile Disc Copy Control Association [DVD-CCA] gegen duzende Personen weltweit die freie Meinungsäusserung schwer beeinträchtigen kann. Wir sind der Meinung, daß es den Inhabern von Rechten an geistigem Eigentum nicht erlaubt werden darf, ihre Eigentumsrechte auf Kosten der Redefreiheit, des legalen Reverse-Engineerings von Software aus Kompatibilitätsgründen und der Diskussion von technischen oder wissenschaftlichen Themen, auszuweiten. Die Klage der DVD-CCA steht im direkten Widerspruch zur Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen und zur Verfassung der Vereinigten Staaten. DER FALL Kurz nach Weihnachten hat die Digital Versatile Disc Copy Control Association (DVD-CCA) in Kalifornien eine Klage gegen Personen auf der ganzen Welt eingebracht, die Informationen zum DVD Verschlüsselungssystem CSS oder Verweise auf diese Information im Internet publiziert haben. Im Kern behauptet die Klage, das Reverse-Engineering von DVD CSS sei "unlauter" (Par. 18), "unerlaubt" (Par. 20) und stelle eine "unrechtmäßige Aneignung von Betriebsgeheimnissen" (Par. 21) bzw. die "unerlaubte Verwendung von CSS Information, die auf illegale Weise erworben wurde" (Par. 22) dar. Die DVD-CCA ist bislang jeglichen Beweis für diese Behauptungen schuldig geblieben, und dürfte auch vor Gericht kaum in der Lage sein sie zu belegen. In der Klage wird behauptet, daß die Beklagten Geschäftsgeheimnisse und andere Rechte an geistigem Eigentum verletzen, indem sie den Quellcode eines durch legales Reverse-Engineering entwickelten Tools zur Dekodierung von DVDs publizieren oder diskutieren (oder auch nur auf andere Sites verweisen, die dieses tun). Ganz im Gegenteil haben sich die von der DVD-CCA angegriffenen Personen aber lediglich an einem legitimen und grundrechtlich geschützten Meinungsaustausch über CSS beteiligt. Dieser umfasst Software, textuelle Beschreibungen und Diskussionen. Dabei wurden die Äußerungen in keiner Weise aus geheimen Dokumenten der DVD-CCA kopiert oder abgeleitet. Das Copyright gesteht niemandem Rechte an Ideen zu, sondern schützt lediglich die konkrete Formulierung einer solchen. Auch betreffen die Gesetze zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen nur jene Personen, denen sie gegen Zusicherung der Geheimhaltung mitgeteilt worden sind. Jedem anderen steht es frei, die Geheimnisse selbstständig zu entdecken. Die im vorliegenden Zusammenhang diskutierten und implementierten Ideen, wurden offenbar durch die Analyse ("Reverse-Engineering") eines DVD Produktes gewonnen, was in den meisten Ländern legal ist. Der 1998 in den USA beschlossene Digital Millennium Copyright Act enthält in Sektion 1201(f) eine Klausel, die das Reverse-Engineering einer Kopierschutzeinrichtung zum Zwecke der Interoperabilität zwischen Computersystem sogar explizit erlaubt. Der Quelltext des Decoders, um dem es sich hauptsächlich dreht, DeCSS genannt, wurde (von dritter Seite, nicht von den Beklagten) geschrieben, um DVD-Laufwerke und Inhalte auch unter dem Betriebssystem Linux nutzen zu können, für das die Industrie selbst nicht die nötige Treiber anbietet. In der Klageschrift stellt die DVD-CCA jedoch die höchst fragwürdige Behauptung auf, daß der eigentliche Zweck des Quellcodes darin bestehe, illegales Kopieren von DVDs zu ermöglichen. Experten wie Eric S. Raymond zufolge hat CSS gar nichts mit Kopierschutz zu tun. Wie auch die DVD-CCA weiß, können DVDs auf andere Art dupliziert werden, DeCSS wird nicht dazu benötigt. Die Idee, daß DeCSS eine Rolle in der Verteilung von raubkopierten Filmen über das Internet spielen soll, ist absurd. Mit einem aktuellen Modem würde die Übertragung eines Filmes über eine Woche dauern. DER WAHRE HINTERGRUND Das eigentliche Ziel der CSS-Technik und dieser Klage besteht darin zu verhindern, daß Filme, die in einem Teil der Welt gekauft wurden, auf DVD-Geräten in einem anderen Teil abgespielt werden können. Die Filmindustrie befürchtet schlicht einen Verdienstentgang, wenn ein in den USA auf DVD verfügbarer Film in Europa, Asien oder Südamerika bereits mit DVD-Spielern betrachtet werden kann, bevor er dort in die Kinos kommt. (Daher hat die Filmindustrie auch kürzlich von den Herstellern von DVD-Hardware verlangt, daß sie die Produktion und den Verkauf von Playern einstellen, die in der Lage sind DVDs aus allen Teilen der Welt abzuspielen.) Die DVD-CCA verkauft auch Lizenzen an die Hersteller von DVD Hard- und Software, die das Abspielen von DVDs auf Mac und Windows Computern erlaubt. DeCSS und verwandte Projekte ermöglichen die Entwicklung von DVD-Playern als Freeware, welche in Konkurrenz zu den kommerziellen Produkten treten und die Lizenzeinahmen und Profite der Hersteller schmälern würden. UNSERE MEINUNG Die hier unterzeichneten Mitgleider der Global Internet Liberty Campaign glauben, daß diese Klage negative Auswirkungen auf die Redefreiheit haben kann. Unserer Meinung nach steht die Handlungsweise der DVD-CCA in direktem Widerspruch zur Menschenrechtskonvention und zur Verfassung der USA, da die Programmierer nur legal erworbene Information veröffentlicht haben. Wir protestieren auch gegen den Versuch der DVD-CCA, die Unterscheidung zwischen der Publikation von Material auf dem eigenen Webserver und dem bloßem Verweisen auf externe Quellen zu verwischen. Wenn das ursprüngliche Reverse-Engineering, wie wir meinen, legal war, dann wohl auch die spätere Verbreitung dieser Information. Die Vorgehensweise der DVD-CCA erzeugt den Eindruck, daß sie glaubt, kleine Leute rasch gefügig machen zu können, indem sie ihnen ihre Anwälte auf den Hals hetzt. Wir sind der Meinung, daß es den Inhabern von Rechten an geistigem Eigentum nicht gestattet werden darf, ihre Rechte auf Kosten der Redefreiheit auszudehnen - insbesondere dann nicht, wenn es darum geht zu erklären, auf welche Weise Konzerne die Verbreitung von wissenschaftlichen Erkenntnissen behindert haben. Wir glauben, daß die DVD-CCA versucht, unter dem Deckmantel des Urheberrechtes, die freie Meinungsäußerung im Cyberspace zu untergraben. UNTERSCHRIFTEN American Civil Liberties
Union Canadian Journalists
for Free Expression Computer Professionals
for Social Responsibility Cyber-Rights & Cyber-Liberties
(UK) Derechos Human Rights
Electronic Frontiers
Australia Electronic Frontier
Canada (EFC) Electronic Privacy
Information Center FITUG e.V. Fronteras Electronicas
España (FrEE) Index on Censorship
Internet Freedom IRIS (Imaginons un
reseau Internet solidaire, France) NetAction Privacy International
quintessenz VIBE
WEITERE INFORMATION The Global Internet
Liberty Campaign Factsheet from Opendvd.org Fascmile of the complaint
for injunctive relief for misappropration of trade secrets by DVD-CCA
Wired article San Jose Mercury
Eric S. Raymond
on the Case German language analysis -.-. --.- -.-. --.-
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